Berliner Verlage luden ein – und über 500 Besucher kamen, informierten sich, diskutierten und erlebten dabei kreative, selbstbewusste und herzliche Gastgeber – Von Viktoria Hahn

 

Faszinierende Einblicke bei #verlagebesuchen

Faszinierende Einblicke bei #verlagebesuchen

Es war eine tolle Initiative der Verlage innerhalb des Landesverbandes des Börsenvereins:  Am 22. und 23. April öffneten 22 Berliner Verlage ihre Türen, und ihre Teams beantworteten Fragen zu allen Aspekten ihrer Arbeit. Literaturtest unterstützte #verlagebesuchen mit Pressearbeit und organisierte ein Pressegespräch zur Veranstaltungsreihe – und die Medien waren angetan: So kam die rbb Abendschau in der gut gefüllten Küche des Verbrecher Verlags vorbei, FluxFM interviewte Detlef Bluhm vom Landesverband zum Programm, das Börsenblatt erfuhr beim Jaron Verlag, was einen guten Verleger ausmacht („Panikresistenz!“), während sich Litaffin ebenfalls beim Verbrecher Verlag umschaute und die Atmosphäre im Verlag in einer Fotostrecke dokumentierte.

 

Positiver Innovationsdruck für Verlage und Autoren

Spannende Thesen bot auch das Pressegespräch zwischen Autor Tilman Rammstedt (Morgen mehr“, Carl Hanser Verlag) und Verleger Dr. Andreas Rötzer (Matthes & Seitz Berlin), das von Roland Große Holtforth (Literaturtest) moderiert wurde. Rammstedt und Rötzer tauschten sich über die Zukunft des Publizierens aus und stellten fest: Der Innovationsdruck in der Buchbranche ist keine Katastrophe, sondern bietet die Chance, das eigene Profil noch mehr zu schärfen – für Verlage wie für Autoren. Rammstedt bekannte, dass Self-Publishing für ihn persönlich keine echte Option darstelle:

Tilman Rammstedt Foto: Viktoria Hahn

Tilman Rammstedt

„Ich will jetzt nicht als poster boy der Verlagsautoren auftreten, aber ich habe nie darüber nachgedacht, ‚Morgen mehr‘ ohne Verlag zu machen. Unter Umständen käme ich am Ende mit etwas mehr Geld raus, aber der Aufwand wäre für mich sehr hoch – das Ganze hätte seinen Preis.“ Bei der Entwicklung von neuen Themen und Formaten sah der Verleger Rötzer dann auch die Verlage in der kreativen Pflicht. Kleine Verlage wie Matthes & Seitz Berlin könnten zwar keine technische Revolution anstoßen – eine inhaltliche aber allemal.

 

 

Verbrecher, Enthusiasten und Revolutionäre

Wie spannend die kleinen und großen Revolutionen in Berliner Verlagen ausfallen, was sie umtreibt und wie sie arbeiten, durften die Besucher dann direkt im Herzen der Verlage erfahren – und dies in ganz unterschiedlichen Formaten. Geboten wurden Lesungen, Werkstattgespräche und Führungen, aber vor allem höchst lebendige Diskussionen. Wie lange dauert es vom Manuskript bis zum fertigen Buch? Was macht ein Lektor eigentlich genau? Wie wählt man das richtige Papier aus? Wieviel wird beim Hörbuch gekürzt? Was bedeutet „Lettering“ im Comic? Die etwa 500 Interessierten, die ihre Lieblingsverlage besuchten, hatten durchweg großes Interesse am Handwerk des Verlegens – insbesondere so kurz nach dem VG-Wort-Urteil eine schöne Erfahrung für die Büchermacherinnen und Büchermacher!

 

Lesung von Karsten Krampitz beim Verbrecher Verlag.

Lesung von Karsten Krampitz beim Verbrecher Verlag.

„Reingehört“ hat das Literaturtest-Team z. B. beim Argon Verlag: Bereits am Freitagmorgen gab es hier eine sehr gut besuchte Veranstaltung zu der Frage, wie eigentlich ein Hörbuch entsteht. Verlags- und Programmleiterin Heike Schmidtke und Vertriebs- und Marketingleiter Kilian Kissling standen Rede und Antwort und plauderten aus dem Nähkästchen des Hörbuchmachens.

Ein paar Stunden später war im Verbrecher Verlag der Ansturm so groß, dass die Veranstaltung in die Küche verlegt werden musste. Der Autor Karsten Krampitz las, auf der Waschmaschine sitzend, aus „Wasserstand und Tauchtiefe“ –  ein ziemlich passender Ort für die Lesung aus einem Roman, der das Alltagsleben in der DDR schildert. Eine knackige Einführung dazu, wie aus einem „verbrecherischen“ Plan ein unabhängiger Verlag entstand, und einen Einblick in sein durchaus riskantes Programm gab Verleger Jörg Sundermeier.

 

Ein Mann hält einen Flyer mit der Aufschrift "Was sind Graphic Novels?"

Was sind Graphic Novels? Auf diese Frage gab es Antworten bei Reprodukt.

Bei Reprodukt konnten sich die Besucherinnen und Besucher am Freitagnachmittag kaum sattsehen an den Graphic Novels und Comics, die sich im Verlagsbüro stapelten und in denen geblättert werden durfte. Kein Wunder: Sebastian Oehler vom Vertrieb und Klara Groß aus der Herstellung wirkten in ihrer Begeisterung für ihre Bücher extrem ansteckend! Tatsächlich konnte der Verlag in seiner 25-jährigen Geschichte immer wieder sehr erfolgreich Überzeugungsarbeit für Comics leisten.

 

Matthes & Seitz Berlin_Tatjana Gridnev_beschnitten

Verleger Dr. Andreas Rötzer von Matthes & Seitz Berlin

Bei Matthes und Seitz Berlin erfuhren die Gäste am Samstagmorgen in den vollen Verlagsräumen im Prenzlauer Berg, wie viel Wert der Verlag nicht nur auf inhaltlich ansprechende, sondern auch auf ästhetisch beeindruckende Bücher legt. Ein wunderschönes Beispiel dafür ist die von Judith Schalansky gestaltete Naturkunden-Reihe, bei der Thema und Gestaltung eines Buches immer aufeinander abgestimmt sind.

 

Danke für die Gastfreundschaft, liebe Berliner Verlage! Literaturtest freut sich schon auf die zweite Runde #verlagebesuchen im nächsten Jahr.

 

 

Fotos von Viktoria Hahn und Tatjana Gridnev